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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim bei Mosbach

Aktuelles aus der Kanzlei

10.07.2018
Kosten des Erbscheins bei Ausnutzung des Erblassers

Gezerre um Erblasser rechtfertigt Aufhebung der Kosten

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass im Verfahren über den Erbschein die Kosten aufgehoben werden, wenn die Streitparteien zuvor den Verstorbenen instrumentalisiert hatten, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert.

Die Basis der Kostenentscheidung des OLG

Es liegt ein Ermessensfehler des Nachlassgerichts vor, wenn es sich im Erbscheinverfahren wegen der Kostentragungspflicht alleine danach orientiert, wer das Erbscheinverfahren gewinnt oder verliert. Setzt sich die in der Familie zuvor durchgeführte Instrumentalisierung des Verstorbenen im Erbscheinverfahren unter den Erben fort, ist es recht und billig, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Der Sachverhalt des Erbscheinsverfahrens

Die Mutter setzte zunächst ihren Sohn in einen Erbvertrag zum Alleinerben ein. Dies bereute sie später und schloss mit ihrer Tochter neuen einen Erbvertrag, wonach sie beide Kinder zu Erben zu gleichen Teilen berief. Nach ihrem Tod beantragte der Sohn einen Alleinerbschein und stützte sich auf den ersten Erbvertrag. Das Nachlassgericht gab dem statt, nachdem Zeugen verhört werden mussten, weil sich die Tochter dagegen wehrte. Das Nachlassgericht bürdete der Tochter der Verstorbenen die Kosten der Beweisaufnahme sowie deren eigene und die Anwaltskosten ihres Bruders auf, da dies dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprach. Der dagegen erhobenen Beschwerde gibt das OLG statt und hebt alle Verfahrenskosten gegeneinander auf.

Die tragenden Entscheidungsgründe

Das Beschwerdegericht darf nur prüfen werden, ob das Nachlassgericht das ihm eingeräumte Ermessen bei der Kostenverteilung fehlerfrei gebraucht hat. Das erstinstanzliche Gericht unterlag jedoch einem Ermessensfehler, da es nur auf das Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen abstellt. Es verkennt, dass beide Kinder ihre Mutter zu Lebzeiten „massiv“ instrumentalisierten und sich die innerfamiliären Konflikte im Erbscheinverfahren sozusagen fortsetzten. Dies ist bei der Auferlegung der Kosten ebenfalls zu beachten. Es ist billig und recht, aus diesen Gründen die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Praxishinweis für Sie

Das ein Familienstreit bis in das Erbscheinsverfahren hineinwirkt, ist nicht selten. Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf muss dieses Argument auch bei der Kostenentscheidung im Erbscheinverfahren berücksichtigt werden. Die Entscheidung gibt leider Anlass dazu, künftig bei Kostenbeschwerden „schmutzige Wäsche“ für familiäre Konflikte vorzutragen, um auch bei einem verlorenen Erbscheinverfahren nicht auf den gesamten Kosten sitzen zu bleiben, wie der Obrigheimer Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth erklärt.

Fundstelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.5.2018 – I-3 Wx 225/16 

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16.02.2018
Haftung der Bank bei Widerruf der Vollmacht durch Miterben

Ãœberweisung ohne Zustimmung aller Miterben ist unwirksam

Ihr Obrigheimer Erbrechtsexperte zeigt, wie Miterben die Bank in die Haftung nehmen können, wenn diese trotz Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch einen Miterben Überweisungen vornehmen. Dazu hat jetzt das Landgericht Aachen ein entsprechendes Urteil erlassen.

Der Leitgedanke des Urteils

Wenn ein Miterbe die über den Tod hinaus gehende Vollmacht eines anderen Miterben wirksam gegenüber der Bank des Veerstorbenen gegenüber widerrufen hat, darf die Bank ohne Zustimmung aller Miterben keine Überweisungsaufträge zu Lasten des Erblasserkontos ausführen. Widrigenfalls hat sie die überwiesenen Beträge wieder auf das Konto des Erblassers zu erstatten.

Der entschiedene Sachverhalt

In einem notariellen Testament setze der Erblasser seine beiden Kinder zu Miterben ein und erteilte zugleich seinem Sohn eine Vorsorgevollmacht, die über seinen Tod hinaus gelten sollte. Nach seinem Tod widerrief die miterbende Tochter die Vollmacht gegenüber dem Bruder, was sie auch der kontoführenden Bank mitteilte.

Die Bank bestätigte per e-Mail, dass sie künftig nur noch Überweisungen zu Lasten des Girokontos des verstorbenen Kunden vornehmen werde, wenn beide Miterben damit einverstanden waren. Die Schwester gab ihrem Bruder gegenüber an, dass sie selbstverständlich daran "mitwirken werde, alle berechtigten und fälligen Rechnungen vom Konto der Erblasserbank zu bezahlen". Ohne Kenntnis der Miterbin führte die Erblasserbank Überweisungen zu Lasten des Nachlasskontos wegen offener Bestattungskosten aus, wobei allein der Sohn die Überweisungsformulare unterschreiben hatte. Die Tochter verklagte die Bank erfolgreich auf Erstattung der überwiesenen Gelder.

Die tragenden Gründe des Urteils 

Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus der besonderen Vorschrift des § 675u Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Zahlungsvorgänge waren nicht korrekt  "autorisiert", wie § 675 Absatz 1 Satz 1 BGB verlangt, da das Einverständnis mit den Überweisungen durch die Klägerin gerade nicht vorlag, was die Bank auch wußte: Nur die Erbengemeinschaft durfte noch gemeinsam über das Konto verfügen, denn der Vollmachtswiderruf führt dazu, dass die Zustimmung aller Miterben für Verfügungen über das Nachlasskonto notwendig wurde.

Die Erklärung der Miterbin, daran mitzuwirken, dass alle "berechtigten Rechnungen" vom Konto bezahlt werden können, betrifft nur eine Absprache der Miterben untereinander, weshalb sich die Bank darauf nicht berufen kann. Auch wenn die Bezahlung der Bestattungskosten eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses darstellt, kann die Mitwirkung daran nur von den Miterben untereinander, nicht aber von einem außenstehenden Dritten (der Bank), verlangt werden. In Folge dessen haftet die Bank auf Erstattung der zu Lasten des Erblasserkontos überwiesenen Gelder. 

Praxishinweis für Sie

„Bestattungskosten müssen sowieso bezahlt werden“, ist die in praktisch jedem Erbfall zu hörende Darstellung der Erblasserbanken zur „Rechtfertigung“ der Bezahlung dieser Verbindlichkeiten. Ist bei der Bank der Widerruf einer über den Tod hinaus geltenden Vollmacht eines Miterben bekannt, kann sie sich nicht auf diese in der Praxis gängige Regelung berufen, denn sie darf nicht darüber entscheiden, ob die Bezahlung der Rechnungen in Ordnung ist oder nicht oder sowieso hätte vorgenommen werden müssen; diese Entscheidung bleibt allein den Mitgliedern der Erbengemeinschaft vorbehalten. Überwiest die Bank dennoch die Rechnung, die nur ein Miterbe unterschrieben hat, macht sie sich schadenersatzpflichtig.

Das Urteil ist auch für Bankmitarbeiter von hoher Bedeutung, worauf Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim hinweist.

Fundstelle: LG Aachen, Urteil vom 18.01.2018 – 1 O 138/16

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09.01.2018
Notarielles Nachlassverzeichnis immer einforderbar

Notarielle Auskunft für Pflichtteil ist kein Rechtsmissbrauch

Fachanwalt für Erbrecht und Erbrechtsexperte Wolfgang Roth weist darauf hin, dass der Pflichtteilsberechtigte auch dann noch ein notarielles Nachlassverzeichnis fordern darf, wenn der Erbe bereits ein selbst erstelltes Verzeichnis vorgelegt hatte.

Der Leitgedanke des Oberlandesgerichts

Legt der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten ein selbst erstelltes Verzeichnis über den Nachlass vor, kann der Pflichtteilsberechtigte ohne Angabe von Gründen zusätzlich noch ein notarielles Verzeichnis verlangen. Dies ist weder rechtsmissbräuchlich noch als Schikane zu werten, wie das OLG erläutert.

Der entschiedene Sachverhalt

Nachdem der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten ein selbst angefertigtes, umfangreiches Nachlassverzeichnisses vorgelegt hatte, forderte jener ohne Angabe von irgendwelchen Gründen und kurz vor Eintritt der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs zusätzlich die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Absatz 1 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vom Erben. Im Rahmen einer pflichtteilsrechtlichen Stufenklage wurde der Erbe hierzu verurteilt.

Dagegen legte der Erbe Berufung ein. Der Senat weist mittels eines Hinweisbeschlusses darauf hin, dass die Berufung aussichtslos sein dürfte.

Die wichtigsten Gründe des Beschlusses

Das OLG München stellt dar, dass es die Anforderung eines notariellen Nachlassverzeichnisses auch dann nicht gesondert begründet werden muss, wenn bereits ein umfassendes, vollständiges und einheitliches Privatverzeichnis vom Erben vorgelegt wurde. Beide Auskunftsarten stehen kumulativ nebeneinander. Das notarielle Nachlassverzeichnis bietet dem Pflichtteilsberechtigten die Gewähr einer höheren Richtigkeit als ein Privatverzeichnis, da der Notar um vollständige und wahrheitsgemäße Angaben bemüht ist und dessen Verzeichnis Klarheit und Übersichtlichkeit erwarten lässt. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung.

Dass die Klage auf Vorlage des notariellen Verzeichnisses erst kurz vor Eintritt der Verjährung einen „pflichtteilsfremden Zweck“, nämlich die Verjährungshemmung der derzeit noch nicht bezifferten Pflichtteilsansprüche verfolge, ist nicht entscheidend. Einen Anspruch noch kurz vor Eintritt der Verjährung einzuklagen ist weder treuwidrig (§ 242 BGB) noch schikanös (§ 226 BGB): der Gesetzgeber sieht dafür den Rechtsweg vor, sodass eine Klage auch am letzten Tag des Fristablaufs eingereicht werden kann.

Praxishinweis für Sie

Selbst wenn sich der kooperative Erbe bemüht und alles tut, um die Auskünfte über den Nachlass durch sein Verzeichnis dem Pflichtteilsberechtigten so gut als möglich, vollständig und nach bestem Wissen und Gewissen zusammenzustellen, schwebt über ihm immer das "Damoklesschwert", dass er aufgefordert werden kann, ein notariellen Nachlassverzeichnisses erstellen zu lassen. Auch wenn der Erbe dies als Schikane empfindet, überschreitet das Verlangen des Pflichtteilsberechtigten nie die Grenze des Schikaneverbots nach § 226 BGB.

Die Kosten des notariellen Nachlassverzeichnisses trägt die Erbschaft; sie können vom Erben zumindest als eine seiner Nachlassverbindlichkeiten angesetzt werden; mit seiner Pflichtteilsquote "bezahlt" der Pflichtteilsberechtigte also das Verzeichnis mittelbar mit, worauf der Obrigheimer Erbrechtsexperte Roth hinweist.

Fundstelle: 

OLG München, Hinweisbeschluss vom 25.10.2017 – Aktenzeichen 18 U 1202/17

 

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13.12.2017
Keine Grundbuchumschreibung trotz Vorlage des Erbscheins

Erbe muss Erbschein notfalls mehrmals vorlegen

Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth erklärt einen Fall, wonach der Erbe trotz vorgelegtem Erbschein nicht im Grundbuch nach dem Erblasser eingetragen wird, weil die Mühlen der Justiz langsam mahlen.

Der Leitgedanke der Entscheidung

Wenn der Erbe seinen Erbschein beim Grundbuchamt vorzeigt, muss die Erbscheinsvorlage nochmals erfolgen, wenn die Grundbuchberichtigung nicht binnen weniger Wochen erfolgt.

Der entschiedene Sachverhalt beim Oberlandesgericht Dresden

Die verstorbene Mutter des Alleinerben war im Grundbuch für ihr Wohnhaus als Alleineigentümerin eingetragen. Der Alleinerbe begab sich persönlich zum Grundbuchamt und legte dort dem Sachbearbeiter die Ausfertigung seines Erbscheins vor. Der Rechtspfleger fertigte sich davon eine beglaubigte Abschrift an, die beim Grundbuchamt blieb; den Erbschein gab er dem Erben zurück. Mehrere Wochen lang erfolgte keine Grundbuchberichtigung. Nunmehr verlangte das Grundbuch eine erneute Vorlage des Erbscheins. Dem trat Erbe entgegen. Das OLG verschont den Alleinerben zumindest von den Kosten, vorlegen muss er den Erbschein aber noch einmal.

Die tragenden Gründe des Beschlusses

Auch in einfach gelagerten Fällen muss der Erbschein vorgelegt werden, um die Rechtsnachfolge zu beweisen. Das sieht die Grundbuchordnung (GBO) vor. Der Erbschein selbst muss aber zum Zeitpunkt der tatsächlichen Grundbuchberichtigung auf den Erben nicht unmittelbar vorliegen. Es reicht aus, wenn der Erbe den Erbschein zu seiner Legitimation „vorlegt“, weil sich dann das Grundbuchamt von der Echtheit des Erbscheins hinreichend überzeugen kann. Dann darf der Rechtsverkehr davon ausgehen, dass die Grundbuchberichtigung innerhalb einiger Tage, höchstens binnen weniger Wochen, geschehen wird. Erfolgt die Umschreibung dennoch nicht, muss angenommen werden, dass die Erbfolge nicht mehr durch den vorgelegten Erbschein nachgewiesen ist. Wenn mehrere Monate zwischen der Vorlage des Erbscheins und der angestrebten Grundbuchberichtigung liegen, muss deshalb der Erbschein nochmals dem Grundbuchamt vorgelegt werden. Da weder das Grundbuchamt wegen verzögerter Sachbearbeitung noch der Erbe durch die zunächst verweigerte, erneute Vorlage „optimal agiert“ haben, spricht der Senat den Erben zumindest von den Kosten frei.

Praxishinweis für Sie

Gegen den Beschluss ist Kritik angezeigt.

Mehr als dass der im Erbschein ausgewiesene Alleinerbe den Erbschein einmal dem Grundbuchamt persönlich (!) vorlegt, kann man eigentlich nicht erwarten, zumal sich der Sachbearbeiter im Grundbuchamt selbst noch eine beglaubigte Abschrift herstellte und den Erbschein zurückgab. Die in der Amtsorganisation liegende Verzögerung von mehreren Monaten, innerhalb derer es zu keiner Grundbuchberichtigung kam, führt aber laut Oerlandesgericht Dresden nunmehr dazu, dass die Erbfolge zur Grundbuchberichtigung durch nochmals vorzunehmende Vorlage des Erbscheins nachzuweisen ist.

Eine Zeitgrenze, innerhalb derer die erneute Vorlage nicht verlangt werden darf, stellt der Senat allerdings nicht auf, wenn er eine Zeitspanne von mehreren Wochen (innerhalb derer keine neue Vorlage notwendig ist) und „mehreren Monaten“ vorgibt. Der Beschluss führt vor allem für die Grundbuchämter zur Verunsicherung, die im Zweifel nochmals den Erbschein anfordern werden, je nachdem wie lange der Sachbearbeiter braucht, um die Umschreibung des Grundbuchs vorzunehmen.

Viel sinnvoller wäre es gewesen, wenn der Senat einen festen Zeitraum bestimmt hätte, innerhalb dessen die Umschreibung hätte vorgenommen werden dürfen, ohne den Erbschein nochmals zu verlangen, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth anmerkt.

Fundstelle: OLG Dresden, Beschluss vom 28.9.2017 – 17 W 875/17 

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11.12.2017
Entzug des Pflichtteils bei Gebrauch einer Schusswaffe

Pflichtteilsentzug auch ohne Strafurteil möglich

Darf die Mutter dem Sohn per Testament den Pflichtteil entziehen, wenn jener mit einer Schreckschusspistole dem Stiefvater ins Gesicht schießt?

Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth erläutert zum Pflichtteilsentziehung ein Urteil des Landgerichts (LG) Saarbrücken.

Der Leitgedanke des LG Saarbrücken

Schießt der Pflichtteilsberechtigte mit einer Schreckschusspistole dem Stiefvater ins Gesicht, darf die leibliche Mutter dem Sohn den Pflichtteil auch dann entziehen, wenn der Sohn deswegen strafrechtlich gar nicht verurteilt wurde.

Der zu entscheidende Sachverhalt des LG

Die Verstorbene, gemeinsam mit ihrem Ehemann Selbstmord beging aber zuletzt verstarb, hinterließ zwei Söhne. Sie beerbte zunächst alleine ihren Ehemann wegen eines Ehegattentestaments. Ungefähr 13 Jahre zuvor hatte sie in einer notariellen Urkunde ihren Sohn enterbt und eine Pflichtteilsentziehung angeordnet. Dazu wurde in der Urkunde niedergelegt, dass der Sohn sie zunächst beschimpft und bedroht hatte und er nachts bewaffnet bei ihr in die Wohnung eindrang und sie mit dem Tod bedrohte. Mit einer Waffe im Rücken überfiel er später seinen Stiefvater und schoss ihm ins Gesicht. Der Vorfall wurde zwar von der Polizei aufgenommen, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch ein. Nach dem Tod der Mutter klagte der Sohn gegen mittels Testament bedachten Erben auf seinen Pflichtteil. Das Landgericht weist bereits die gesamte Stufenklage ab.

Die tragenden Gründe des Landgerichts

Die Mutter hat dem Sohn gemäß § 2333 Absatz 1 Nr. 2 BGB den Pflichtteil wirksam entzogen, denn er hat sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Ehegatten der Erblasserin schuldig gemacht, wobei für die Schwere des Vergehens auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen ist.

Der Kläger gab in der Beweisaufnahme und Anhörung selbst zu, dass er mit der Sportluftpistole geschossen hatte. Sein Bestreiten, dass er auf den Stiefvater gezielt habe, ist durch den in der notariellen Urkunde dargelegten Kernsachverhalt unbeachtlich. Durch sein Verhalten hat er die Verletzung des Opfers zumindest billigend in Kauf genommen, was eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses auch in Bezug auf die verstorbene Mutter als Erblasserin darstellt, denn hierin liegt eine schwere Verletzung der der Erblasserin geschuldeten familiären Achtung. Da der Kernsachverhalt, der in der Notarurkunde aufgenommen ist, zusammen mit der eigenen Aussage des Sohnes für das Landgericht bewiesen ist, wurde ihm der Pflichtteilsanspruch zu Recht entzogen. Einer strafrechtlichen Verurteilung wegen des Entziehungsgrundes bedarf es dafür nicht. Da auch eine vom Kläger behauptete Verzeihung (§ 2337 Satz 1 BGB) nicht bewiesen ist, ist die Stufenklage erfolglos.

Praxishinweis für Sie

Es immer wieder erstaunlich, mit welcher Dreistigkeit Kinder, denen der Pflichtteil wegen eines erheblichen Fehlverhaltens entzogen wurde, dennoch auf ihre Pflichtteilsberechtigung pochen. Die dazu nötigen Voraussetzungen in Zusammenschau mit der prozessualen Darlegungs- und Beweislast machen es den Erben schwer, sich gegen dieses Verlangen in der Praxis zu wehren. Erfreulicher Weise weist das LG auch die Behauptung, eine Verzeihung nach § 2337 BGB sei durch einen zumindest losen späteren Kontakt des Klägers mit seiner Mutter gegeben, zurück. Damit verliert der Sohn nicht nur den Pflichtteils-, sondern auch seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Fundstelle: LG Saarbrücken, Urteil vom 15.2.2017 – 16 U 210/13

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08.09.2017
Geldentschädigung ist nicht vererblich

Mittäter im KZ Sobibor stirbt während Gerichtsverfahren

An Hand eines nicht alltäglichen Falles, der sich um das ehemalige Vernichtungslager Sobibor dreht, hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Grundsatzentscheidung zur Vererbbarkeit von Ansprüchen auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung getroffen, den Fachanwalt für Erbrecht und Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert:

Der Leitgedanke des Bundesgerichtshofs

Hat der wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Geschädigte einen Geldentschädigungsanspruch rechtshängig gemacht und stirbt er während des Gerichtsverfahrens, ist dieser Anspruch nicht vererblich und kann von seinen Erben nicht mehr weiter verfolgt werden.

Der zu entscheidende Sachverhalt

Die Klägerin beerbte den Ehemann, der vom Landgericht München II wegen dessen ehemaligen Tätigkeiten im Vernichtungslager Sobibor wegen mehrfacher Beihilfe zum Mord an Juden im Jahr 1943 zu einer Freiheitsstrafe erstinstanzlich verurteilt wurde. Während des strafrechtlichen Revisionsverfahrens verstarb er. Über den Prozessverlauf und dessen Hintergründe berichtete ein Internetportal unter voller Nennung des Namens des Erblassers.

Dagegen erhob der Verstorbene selbst noch Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung gegen den Portalbetreiber. Nach Zustellung und damit eingetretener Rechtshängigkeit der Klage verstarb der Erblasser, woraufhin seine Witwe als Alleinerbin den Prozess fortführte. Sowohl in erster als auch in zweiter Instanz blieb die Klage erfolglos. Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück.

Die Entscheidungsgründe

Jüngst hatte der Senat bereits ausgeurteilt, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedenfalls dann unvererblich ist, wenn der Erblasser bereits stirbt, bevor vom Gericht die Klage dem Beklagten überhaupt zugestellt worden ist.

Die Unvererblichkeit gilt auch dann, wenn der Erblasser erst nach der Klagezustellung (sog. Rechtshängigkeit) stirbt, denn die Rechtshängigkeit bildet keine Ausnahme von der grundsätzlichen Unvererblichkeit dieses Anspruchs, wie der Senat nun seine vorgenannte Rechtsprechung ergänzt. Dies folgt aus der Streichung der bis zum 30.6.1990 geltenden Fassung des § 847 I 2 BGB a. F. der diesen Anspruch hergab. Aus dem Gesetzgebungsverfahren ist kein gesetzgeberischer Wille erkennbar, dass ein solcher Anspruch vererblich ausgestaltet werden sollte; andernfalls wäre trotz der Streichung der sich aus dieser Vorschrift ergebende Anspruch ausdrücklich als verblich eingestuft worden.

Auch die allgemeine Rechtsordnung enthält keinen Grundsatz, woraus die Vererblichkeit dieses rechtshängig gemachten Anspruchs abzuleiten wäre. Bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht allein im Rahmen der Zuerkennung einer Geldentschädigung bei einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Diese Genugtuungsfunktion kommt nur dem Verletzten zugute. Sie kann ihre Wirkung jedoch erst entfalten, wenn der Anspruch auf Geldentschädigung rechtskräftig durch ein Gerichtsurteil zugesprochen worden ist. Den Geldentschädigungsanspruchs nur einzuklagen bringt noch keine Genugtuung zu Gunsten des Verletzten, weshalb auch bereits rechtshängige, aber noch nicht abschließend ausgeurteilte Geldentschädigungsansprüche unvererblich sind. Die Genugtuung für den Verletzten entsteht erst mit rechtskräftiger Verurteilung des Schädigers zu einer Zahlung. Erst ab diesem Zeitpunkt kann dieser Anspruch folgerichtig vererblich sein.

Praxishinweis für Sie

Die Genugtuungsfunktion dieses Anspruchs kommt dem Verletzten erst dann zugute, wenn er ein rechtskräftiges Urteil gegen den Schädiger hat. Zuvor besteht allenfalls eine – ungesicherte – Aussicht hierauf. Da die Genugtuungsfunktion alleine in der Person des Geschädigten bei dieser Art von Ansprüchen eintreten kann, sind solchermaßen noch nicht rechtskräftig entschiedene Ansprüche unvererblich, denn nur die Zustellung der Klage ändert an der noch nicht eingetretenen Genugtuungsfunktion nichts, wie Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth erläutert.

Fundstelle: BGH, Urteil vom 23.5.2017 – VI ZR 261/16 

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06.06.2017
Taschengeld der Großeltern an Enkel nicht herauszugeben

Kein Sozialhilferegress von Anstandsschenkungen

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim schildert an Hand eines aktuellen Falles, wie das Sozialamt vor Gericht scheiterte, als es von einem Enkelkind das Taschengeld, das es von einem Großelternteil erhielt, zurückforderte:

Der Leitgedanke des Gerichts:

Großeltern geben ihren Enkeln heutzutage gerne ein monatliches Taschengeld. Dabei handelt es sich rechtlich um sogenannte Anstandsschenkungen. Verarmt der das Taschengeld schenkende Großelternteil, sind solche Geldflüsse dem Sozialhilferegress entzogen und das Sozialamt darf dieses Taschengeld nicht mehr zurückfordern.

Der zu entscheidende Sachverhalt:

Der Großvater überwies seit 1998 seiner Enkelin monatlich per Dauerauftrag ein Taschengeld i.H.v. monatlich DM 100,-. Als er pflegebedürftig wurde und die Kosten der Pflege nicht mehr vollständig selbst bezahlen konnte, musste er Sozialhilfe beantragen. Der Sozialhilfeträger leitete wegen Verarmung des Schenkers einen Regressanspruch auf Erstattung der Taschengeldzahlungen gegen die Enkelin auf sich über und forderte diese Gelder zurück. Das Amtsgericht Eschweiler gab der Klage des Sozialhilfeträgers statt. Das Landgericht Aachen weist auf die eingelegte Berufung hingegen die Klage ab.

Die tragenden Gründe des Urteils:

Das monatliche Taschengeld ist als Anstandsschenkung nach § 534 BGB seitens des Großvaters zu klassifizieren, sodass laut dieser Vorschrift der Regressanspruch ausgeschlossen ist. Auch wenn Anstandsschenkungen - anders als Pflichtschenkungen - auf einer geringeren moralischen Verpflichtung beruhen, kann deren Unterlassen gegen die Anschauungen der sozialen Kreise des Schenkers verstoßen und für ihn einen Verlust an Ansehen und Achtung herbeiführen. Dabei kommt es auf die jeweiligen sozialen Kreise des Schenkers als Maßstab für das jeweilige Geschenk an. Das LG bestätigt, dass es heutzutage üblich ist, dass Großeltern den Enkeln ein monatliches Taschengeld zukommen lassen. Als die Zuwendungen begannen, war nicht absehbar, dass der Großvater einmal pflegebedürftig werden würde. Ein Ausbleiben der monatlichen Zuwendung hätte für ihn einen Ansehensverlust in seinem sozialen Umfeld bedeutet.

Auch wenn üblicherweise Anstandsschenkungen vor allem im Rahmen von Geburtstagen, Weihnachts- und Hochzeitsgeschenken genannt werden, sind Taschengeldzahlungen in der genannten Höhe (50 Euro monatlich) solchen Anstandsschenkungen gleichzustellen. Dass das Geld angespart wurde, ist irrelevant, denn die Enkelin darf über ihr Taschengeld frei verfügen und ist dem Großvater gegenüber keine Rechenschaft schuldig.

Praxishinweis für Sie:

Die sozialen Verhältnisse haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten geändert. Zuwendungen der Großeltern an Enkelkinder sind, sofern sie sich in einem gewissen Maß und Rahmen halten, als Anstandsschenkungen zu werten. Der „Rahmen“ von 50 Euro, den das Gericht als nicht überzogen annimmt, entspricht den tatsächlichen aktuellen Lebensverhältnissen. Die Entscheidung bringt ein Stück Rechtsicherheit im Rahmen des ausfüllungsbedürftigen Begriffs der „Anstandsschenkungen“, wie Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth betont.

Fundstelle: LG Aachen, Urteil vom 14.2.2017 – 3 S 127/16 

 

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09.05.2017
Wer pflegt, kann kein Erbe werden

Erblasser muss Pflege und Person des Erben definieren

Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert an Hand eines neuen Gerichtsurteils, wie man juristisch richtig denjenigen zu seinem Erben einsetzt - falls man dies möchte -, der zuletzt die Pflege übernommen hatte; im entschiedenen Fall ging dies nämlich schief!

Der Leitgedanke des Gerichts:

Bestimmt der Erblasser denjenigen zu seinem Alleinerben, der ihn „begleitet und gepflegt hat“, kann das keine Erbenstellung begründen, weil dies dem Drittbestimmungsverbot des § 2065 Abs. 2  BGB widerspricht.

Der entschiedene Sachverhalt:

Die Verstorbene hatte mit ihrem Ehemann ein Testament errichtet, in welchem verfügt war, dass „nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten derjenige Alleinerbe sein sollte, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat“. Das Nachlassgericht erteilte einen Alleinerbschein, den das Amtsgericht in Wipperfürth jedoch wieder einzog.

Die Entscheidungsgründe:

Die Erblasserin hat die genaue Benennung des Erben nicht selbst vorgenommen, sondern einem Dritten überlassen. Die Entwicklung der Ereignisse sowie deren Beurteilung und Einordnung durch Leser des Testaments stellen unbestimmbare und unbestimmte Umstände dar, die nicht dazu geeignet sind, die Erbeinsetzung zu konkretisieren. Der Begriff des „Begleitens“ kann alle möglichen Tätigkeiten umfassen, selbst nur seelische Unterstützungen könnten hierfür bereits genügen.

Dasselbe gilt für den Begriff der „Pflege“, der weder Art, noch Häufigkeit, noch Umfang der Pflegeleistungen der Erblasserin gegenüber klarstellt. Eine hinreichend klare Begrenzung der Begriffe müsste letztendlich ein Richter vornehmen, der hierzu aber seine eigenen Wertvorstellungen und Kriterien anzulegen hätte. Dies führt schlussendlich dazu, dass der Wortlaut des Testaments derart unbestimmt ist, dass seine Auslegung nach dem  Erblasserwillen ergebnislos bleibt. Die Bestimmung über die Person des letztendlich Bedachten erfordert, dass zwar nichts explizit eine Namensnennung im Testament erfolgt, jedoch verlangt das Gesetz, dass der Bedachte mittels des Inhalts des Testaments, notfalls durch dessen Auslegung zuverlässig festgestellt werden kann. Hieran fehlt es, so dass  § 2065 Abs. 2 BGB (Verbot der Drittbestimmung) der Alleinerbeinsetzung entgegen steht und der erteilte Erbschein wieder einzuziehen ist.

Praxishinweis für Sie:

Vielfach wird der Wunsch geäußert, denjenigen erbrechtlich zu bedenken, der den (künftigen) Erblasser auf seinem letzten Lebensweg begleitet und/oder durch Pflegeleistungen unterstützt. Dies kann aber am Drittbestimmungsverbot scheitern. Für die Gestaltungspraxis ist dieser – durchaus nachvollziehbare – Erblasserwunsch deshalb exakt auszuformulieren, wie auch andere obergerichtliche Rechtsprechung zeigt (OLG München, BeckRS 2013, 09727, bespr. in NJW-Spezial 2013, 520; OLG Köln, NJW-RR 2015, 7). Hierbei hilft Ihnen auch der Obrigheimer Erbrechtsspezialist Wolfgang Roth.

Fundstelle: AG Wipperfürth, Beschluss vom 13.9.2016 – 8 VI 62/16 

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02.05.2017
Stiftung per Testament

Falle bei testamentarischer Stiftungserrichtung

Fachanwalt für Erbrecht Wolfgang Roth aus Obrigheim erklärt an Hand eines vom Oberlandesgericht (OLG) Celle entschiedenen Falles, wie die gutgemeinte Gründung einer Stiftung per Testament fehlschlagen kann.

Stiftungszweck muss im Testament stehen

Gibt ein Erblasser in seinem Testament per Auflage vor, dass sein Nachlass in eine zu gründende Stiftung einzubringen ist, ist die gesamte Erbeinsetzung unwirksam, wenn er den Stiftungszweck nicht selbst angegeben hat. So schreibt das OLG Celle seinen Leitgedanken zusammengefasst nieder.

Der fehlerhafte Inhalt des Testaments:

Die Verstorbene ordnete in ihrem Testament an, dass ihre Erbschaft „… in die Stiftung L.“ eingebracht und die Stiftung von der im Testament vorgegebenen Person geleitet werden muss. Der auf diese Weise Genannte beantragte einen Alleinerbschein zu seinen Gunsten. Das Nachlassgericht lehnte dies ab. Die dagegen erhobene Beschwerde bleibt vor dem OLG Celle erfolglos.

Die Entscheidungsgründe des OLG:

Das OLG Celle erkennt, dass es die im Testament genannte „Stiftung L.“ überhaupt nicht gibt. Der Verstorbenen ist deren Gründung als Bestimmung derjenigen jur. Person, an welche die Leistung des Nachlasses erfolgen sollte, nicht möglich. Dem im Testament mit der Auflage zur Stiftungsgründung genannten Erben konnte sie diese Aufgabe nicht überlassen. Sie hat den Stiftungszweck selbst nicht im Testament bestimmt und aus ihrer letztwilligen Verfügung ist nicht ersichtlich, welchen Zweck die Erblasserin die Stiftung überhaupt haben sollte. Die Auflage zur Stiftungsgründung ist daher unwirksam. Dies hat die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung zur Folge. Der von der Verstorbenen Genannte wäre nicht persönlich zum Erben eingesetzt worden, da er aus der Erbschaft selbst keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ziehen sollte. Aufgabe war nur, den Nachlass in die Stiftung einzubringen, was jedoch rechtlich nicht möglich ist.

Praxishinweis für Sie:

Der Beschluss zeigt, dass der vielfach vorgetragene Wunsch, mit dem „Erbe Gutes zu tun“, gar nicht so leicht umzusetzen ist, wie vielfach angenommen wird. Die Vorgaben des Stiftungsrechts, insbesondere des Stiftungszwecks, der dazu erforderlichen rechtlichen Grundlagen usw., bedürfen sorgfältiger Planung und juristischer Ausarbeitung. Andernfalls kann die Absicht der Mildtätigkeit des Erblassers an erbrechtlichen Vorschriften scheitern. Lassen Sie sich von einem Erbrechtsexperten beraten, wenn Sie solche Überlegungen umsetzen möchten.

Fundstelle:

OLG Celle, Beschluss vom 10.4.2017 – 6 W 36/17 

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05.04.2017
Besteuerung des nicht geltend gemachten Pflichtteils

Erbschaftsteuer schlägt wieder zu

Ein geerbter Pflichtteilsanspruch zählt auch dann zur Besteuerungsgrundlage, wenn der vorverstorbene Erblasser diesen gar nicht angemeldet hatte, wie Erbrechtsexperte Wolfgang Roth aus Obrigheim an Hand einer neuen Gerichtsentscheidung erklärt.

Der Leitgedanke der Entscheidung:

Auch der nicht geltend gemachte Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass des Verstorbenen und ist von dessen Erben auf Grund Erbanfalls auch dann zu versteuern, wenn der vorverstorbene Erblasser seinen Pflichtteilsanspruch gar nicht selbst angemeldet hatte.

Der zur Entscheidung stehende Sachverhalt:

Der Sohn beerbte seinen Vater als Alleinerbe. Der Vater wiederum hatte seine vorverstorbene Ehefrau beerbt, mit der er in Zugewinngemeinschaft lebte. Der Vater schlug diese Erbschaft jedoch aus, anschließend machte der Sohn den infolge der Erbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch seines Vaters am Nachlass der vorverstorbenen Ehefrau geltend.

Das Finanzamt setzte gegen den Sohn Erbschaftsteuer fest und zählte den von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch zur Besteuerungsgrundlage hinzu. Es argumentierte, dass der entstandene Pflichtteilsanspruch Teil der Erbmasse des Vaters war und infolge dessen als Forderung auf den Sohn übergegangen war. Der gegen das Finanzamt erhobenen Klage versagte das FG München den Erfolg. Der Bundesfinanzhof weist die  Revision des Sohnes zurück.

Die Entscheidungsgründe:

Der vom Erblasser nicht geltend gemachte Pflichtteilsanspruch unterliegt bei dessen Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls nach § 3 I 1, 1. Alt. Erbschaftsteuergesetz (ErbStG), ohne dass es auf dessen Geltendmachung ankommt. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 I 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs. Als Erbanfall ist der Übergang des Gesamtnachlasses auf den Erben anzusehen. Der Umfang des Vermögens, der am Stichtag dem Erblasser zuzuordnen ist, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Der vom Erblasser nicht geltend gemacht Pflichtteilsanspruch gehört als Forderung auch dann zu dessen Nachlass, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt, da er neben dem Zugewinnausgleich den Pflichtteil auch dann verlangen kann, wenn dieser ihm nach erbrechtlichen Vorschriften nicht zustünde (§ 1371 III, 1. Halbs. BGB). Trotz der Ausschlagung der Erbschaft verbleibt dem überlebenden Ehegatten, der im gesetzlichen Güterstand lebte, das Pflichtteilsrecht erhalten und fällt somit in dessen Nachlass. Dieser Anspruch entsteht nach § 2317 I BGB bereits mit dem Erbfall und zwar unabhängig davon, ob er geltend gemacht wird oder nicht, andernfalls der Anspruch nach § 2317 II BGB, weder vererblich noch übertragbar wäre.

Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist bei einem ererbten Pflichtteilsanspruch für die Besteuerung nach § 3 I 1, 1. Alt. ErbStG nicht erforderlich. Der ererbte Pflichtteilsanspruch fällt nicht unter die Ausnahme des § 3 I 1, 3. Alt. ErbStG, die auf dessen Geltendmachung abstellt. Der „Erwerb“ des Pflichtteilsanspruch und die dadurch ausgelöste Steuerverpflichtung bei einem durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch hängt nur vom Tod des Pflichtteilsberechtigten ab, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt, §§ 3 I 1, 1. Alt. i. V. m. 9 I 1 ErbStG. Aus diesem Grund weist der BFH die Revision als unbegründet zurück.

Praxishinweis:

Der BFH klärt das Konkurrenzverhältnis des § 3 I 1, 1. Alt. zur 3. Alt. ErbStG. Der Erwerb durch Erbanfall bzw. die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs muss künftig bei der erbschaftsteuerlichen Beratung berücksichtigt werden, wobei die Entscheidung des BFH für die Steuerschuldner nachteilig, jedoch folgerichtig ist, wie der Obrigheimer Erbrechtsexperte darstellt.

Fundstelle: BFH, Urteil vom 07.12.2016 – II R 21/14 

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